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930 Jahre Vinor (28.09.2018)

Vom 14.09.-16.09.2018 feierte die Partnergemeinde Vinor die 930-Jahrfeier. Eine Delegation aus Schulzendorf reiste zum Gratulieren nach Vinor. Neben den förmlichen Festveranstaltungen fand ein Straßenfest statt, Kranzniederlegungen wurden durchgeführt und Vinor wurde besichtigt.

 

Radtour zum 930. Gründungsjubiläum unserer Partnerstadt Vinor – ein Reisebericht

In schöner Erinnerung an die Radtour zum Erntefest 2017 in Obra Dolna, einem Ortsteil der polnischen Partnerstadt Kargowa, führte unser diesjähriger Ausflug in den am nordöstlichen Stadtrand von Prag gelegenen Stadtteil Vinor. Bereits 10 Jahre fruchtbare partnerschaftliche Zusammenarbeit mit kulturellem und sportlichem Austausch, wie dem Konzert hochrangiger Künstler, haben die freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Kommunen wachsen lassen. Bürgermeister Franticek Svarc konnten wir nur wenige Tage vor unserer Fahrt zur Eröffnung der Ausstellung „Entdecke was uns verbindet“ in der Patronatskirche begrüßen.

Schulzendorfs Bürgermeister Markus Mücke meinte bereits im Vorfeld, dass die Feierlichkeiten zum 930.Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung unserer Partnerstadt vom 14. – 16. September 2018, ein willkommener Anlass für die ins Auge gefasste Radtour seien und machte uns damit Mut mit den Planungen zu beginnen. Peter Mewes war wieder aktiv dabei und so konzipierten wir arbeitsteilig die Streckenführung und die üblichen Reisevorbereitungen. Peters Familiensinn war der Anlass für einen Umweg über den Geburtsort seiner im Schulzendorfer Pflegeheim lebenden Mutter, dem kleinen böhmischen Dorf Konradov. Weil dadurch immerhin noch mehr als 300 Fahrradkilometer in bergigem Gelände zurückzulegen waren, entschlossen wir uns ein Teilstück der Gesamtstrecke d.h. von Dahlewitz nach Elsterwerda mit dem Regionalzug zu fahren.

In den Morgenstunden des 12. September brachen wir dann bei schönem Wetter, aber auch mit einer gehörigen Portion Gegenwind zum 20 km entfernten Bahnhof Dahlewitz auf. Nach einer guten Stunde hatten wir Elsterwerda erreicht und fuhren durch leicht hügeliges Gelände und leider föhnigem Gegenwind über Großenhain in Richtung Elbtal, wo wir am frühen Nachmittag in der Gegend von Meißen eintrafen. Nach einem Foto mit der Albrechtsburg im Hintergrund gab der vielbefahrene Elberadweg die Fahrtrichtung vor und wir konnten die abwechslungsreiche, wunderschöne Landschaft rechts und links des Weges genießen. Zwischendurch legten wir kurz vor Dresden eine kleine Erfrischungspause ein. Peter berichtete verheißungsvoll, dass am späten Nachmittag seine frühere Klassenkameradin Christine in Klein Zschachwitz, gegenüber dem Schloss Pillnitz gelegen, bereits mit Kaffee und Kuchen auf uns wartet. Inzwischen befuhren wir den stark frequentierten Radweg in der Ortslage Dresden, wo auch Ortsansässige die beliebte Elbtalroute gern nutzen, um sich sportlich zu betätigen oder einfach nur um von A nach B zu gelangen. Endlich war das „Blaue Wunder“ erreicht, wo wir das Elbufer wechselten und das historische Bauwerk als Kulisse für eine Fotopause nutzten. Nach einigen Kilometern waren wir am 1.Etappenziel unserer Fahrt angelangt und Christine wartete bereits am vereinbarten Treffpunkt, um uns anschließend in ihrem geschmackvollen Heim, umgeben von einer stilvollen Gartenanlage, mit Kaffee und Kuchen zu begrüßen. Wir verbrachten dann schöne Stunden bei angeregten Gesprächen, denn Peter und Christine pflegen im Rahmen von Klassentreffen gelegentliche Kontakte, zumal die altmärkische Heimat und im Klassenverband gemeinsam verbrachte Jahre den Gedankenaustausch beflügeln. Christine war zuletzt Fachlehrerin für Französisch am Gymnasium Heidenau und ist eine Frohnatur, die u.a. der schönen Musik zugetan ist, sich aber auch über ein bescheidenes Ständchen auf der Mundharmonika freuen kann. Wir konnten am späten Abend in ihren ehemaligen Kinderzimmern unser müdes Haupt betten und wurden nach der Nachtruhe noch reichlich mit Frühstück und Proviant versorgt. Leider konnte ich ihrem Mann, der auf einer Dienstreise war, nicht kennenlernen. Er ist wie ich, von einer besonderen Sammelleidenschaft befallen und hat über Jahre hinweg eine große Anzahl historischer Emaille – Reklameschilder, die sich in einem gepflegten Zustand befinden, zusammengetragen. Ihr Anwesen wurde schon wiederholt vom Elbehochwasser heimgesucht, sodass sich die Eheleute eine kostspielige Spundwand, die das Wohnhaus schützt, zugelegt haben. Mit herzlichem Dank verabschiedeten wir uns und genossen auf dem weiteren Wege die Schönheit der Sächsischen Schweiz.

Bald erreichten wir die Grenze zu Tschechien und legten einen Zwischenstopp in Decin ein, wo Peter wegen eines Schadens an seiner Felgenbremse ein Fahrradgeschäft aufsuchte. Nach einer Stadtbesichtigung ging es dann auf einer Teilstrecke des Ploucnijce – Radweges über Benesov nach Ceska Lipa. Dieser durch das reizvolle Tal des kleinen Flüsschens führende Weg, erforderte schon eine gute Kondition, da mehrere Kilometer steil ansteigende Berghänge zu bewältigen waren. Dafür hielt er aber auch halsbrecherische Abfahrten auf unbefestigten Pisten bereit, sodass sich die kleine Investition in eine intakte Felgenbremse als segensreich erwies. Der Radweg wird in der einschlägigen Literatur als „leicht anspruchsvoll“ beschrieben und bot schon einen Vorgeschmack auf das, was uns am folgenden Tag erwartete. Während der eingelegten Pausen konnten wir die Vorzüge des guten Bieres (in Maßen!) genießen und erreichten am späten Nachmittag die Stadt Ceska Lipa, die zur Region Liberec gehört. Es ist ein beschauliches Städtchen mit ca. 36 000 Einwohnern und wird durch einen historisch interessanten Marktplatz geprägt. Die Quartiersuche erwies sich als nicht ganz einfach, aber wir fanden dann doch ein Plätzchen, wo unsere müden Glieder Ruhe fanden. Zur notwendigen Stärkung am Abend kam das böhmische Nationalgericht Sauerbraten mit „Knedli“ dazu ein gutes „Pilsner Urquell“ gerade richtig.

Am 3. Tag unserer Tour wurde schon das Etappenziel Prag – Vinor angepeilt. Der Schwierigkeitsgrad dieser Strecke war allerdings vom Kartenmaterial her schwer kalkulierbar, da die Landstraße kaum durch beschauliche Flusstäler führt, sondern kräftezehrende Steigungen aufwies. Obwohl „viele Wege nach Rom führen“, stand erstmal die kleine Ortschaft Konradov auf dem Programm, was natürlich die Streckenführung bis dahin bestimmte. Peter hatte aber einigermaßen brauchbares Kartenmaterial, weil die Auskünfte von „Ortskundigen“ wegen der Sprachbarriere gelegentlich etwas diffus daherkamen. Nach ein paar Stunden Fahrt durch die böhmische Mittelgebirgslandschaft erreichten wir schließlich den Geburtsort von Mutter Mewes und fanden bald auch das Wohnhaus, wo sie ihre jungen Jahre verbracht hat. Idyllischer, ja abgeschiedener - in einem kleinen Seitental des Psovka Baches - kann man wohl kaum die Jahre seiner Kindheit und Jugend verbringen. So verwundert es nicht, dass das Anwesen jetzt im Besitz eines Mittsiebzigers ist, der 1968 seine Heimat in Richtung Baden/Württemberg verlassen hat und bis 1990 nicht mehr nach dort einreisen durfte. Er war gerade anwesend und es ergab sich ein nettes Gespräch über die Familie, seinen Aufwand zur Erhaltung des Anwesens usw., zu der sich dann auch die in Berlin lebende Tochter gesellte. Solche Begegnungen atmen ja heutzutage den Geist von gegenseitiger Achtung und Unvoreingenommenheit. Sie lassen das in Vertriebenenverbände früherer Jahrzehnte übliche Gedankengut - à la Frau Steinbach -, die inzwischen in anderen Gefilden wildert, gar nicht erst aufkommen. Nun hatte Peter seinen langgehegten Traum verwirklicht und es war Zeit für eine kleine kulinarische Erfrischung. In einem gut besuchten Lokal inmitten wunderschöner Teiche und Bachläufe gab es ein reichhaltiges, schmackhaftes Mittagessen, was uns auf der nächsten, recht beschwerlichen Wegstrecke die notwendige Stärkung brachte.

Der Weg zog sich ziemlich in Länge, denn immerhin musste die östlich von Prag dahinfließende Elbe überquert werden und vorher gab es reichlich Ortsdurchfahrten sowie Steigungen die zu bewältigen waren. Die offizielle Delegation aus Schulzendorf war schon in Vinor eingetroffen und Bürgermeister Markus Mücke rief bereits besorgt bei Peter an, um uns wegen der beginnenden Jubiläumsfeierlichkeiten sachdienliche Hinweise zu geben.

Am frühen Abend trafen wir im Schlosshotel Ctenice ein und waren Dank des freundlichen Busfahrers bald am Ort der Auftaktveranstaltung zu den Jubiläumsfeierlichkeiten unserer Partnerstadt. Vertreter/innen der Einwohner sowie zahlreiche Jubiläumsgäste verfolgten zunächst interessiert eine Gesprächsrunde mit aktiven Bürgern zur Geschichte ihrer Heimatstadt. Anschließend gab es bei einem Festempfang reichlich Gelegenheiten zum Austausch persönlicher Erinnerungen. Gäste der polnischen Kleinstadt Kargowa - gleichermaßen Partner von Vinor und Schulzendorf - hier zu begrüßen, war für uns ein besonderes Erlebnis.

Unsere Gastgeber hatten für den am 15. September, dem Höhepunkt der Feierlichkeiten, ein reichhaltiges Festprogramm organisiert, bei dem zahlreiche Marktstände, Ausstellungen und ein Festumzug mit Kranzniederlegungen an Gedenkstätten der Stadt nicht fehlten. Die Erinnerung an den tschechischen Reformator Jan Hus, das Gedenken an die Kriegsopfer der Kriege des 20. Jahrhunderts und an den Märtyrer Johannes Nepumuk, wurde so in das Bewusstsein der heute lebenden Generation getragen. Das Zeremoniell spiegelte ein für uns bemerkenswertes Geschichtsverständnis, welches auf eine selektive Erinnerungskultur verzichtet, wider. Es war beeindruckend, wie das festliche Ereignis von vielen Menschen mitgetragen wurde. Groß und Klein war auf den Beinen und genoss das schöne Wetter ebenso wie die attraktiven Angebote zur Unterhaltung, bei der auch für das leibliche Wohl und die durstige Kehle gesorgt wurde. Das tschechische Bier, gut temperiert und frisch vom Fass, zeugt immer noch von der einzigartigen Braukunst in unserem Nachbarland. Blaskapellen dazu Tanzgruppen mit Kindern und jungen Leuten, die mit Eifer bei der Sache waren, prägten den Festumzug. Das überall sichtbare Engagement der jungen Leute ist zugleich ein Beleg dafür, dass es unsere tschechische Partnerstadt verstanden hat, die Jugend zu fordern und zu fördern. Vor allem die Damenwelt konnte sich an einer Modenschau mit Modellen verschiedener Epochen erfreuen. Die weiträumigen Anlagen des Schlosses Vinor, welches jetzt eine Polizeischule beherbergt, wurden eigens wegen des Jubiläums für die Festgäste geöffnet. Zu einem festlichen Mahl am Mittag hieß uns der scheidende Bürgermeister zusammen mit anderen Gästen aus Partnerstädten und einem Gast aus den USA, der sich durch seine Herkunft mit Vinor verbunden fühlt, willkommen.

In den späten Nachmittagsstunden des feierlichen Tages hatte er zu einer Festveranstaltung, bei der zahlreiche Bürger des Ortes geehrt wurden, geladen. Grußworte der in- und ausländischen Gäste, eine Ansprache des Bürgermeisters sowie ein niveauvolles Kulturprogramm am Abend bildeten den Abschluss zu diesem Höhepunkt des Stadtjubiläums.

Den letzten Tag unseres Aufenthaltes bei unseren tschechischen Freunden nutzten wir noch zu einem ausgedehnten Spaziergang rund um das Schlossgelände, dass in seinem ehemaligen Speichergebäude ein 4 Sterne Hotel beherbergt. Nun war es Zeit für die Heimreise. Der freundliche Busfahrer der Schulzendorfer Delegation fand im Kofferraum des Kleinbusses noch ein Plätzchen für unsere Räder, sodass wir auf die ursprünglich angedachte Rückfahrt mit dem Linienbus (Flixbus) verzichten konnten.

Für die Unterstützung unserer Radtour möchten wir uns ganz herzlich bei Bürgermeister Markus Mücke und den Gastgebern der Stadt Vinor bedanken.

Manfred Hentrich



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